VERÖFFENTLICHUNGEN

Nochmal ein Text, der als Predigtmeditation in Deutschen Pfarrerblatt erschienen ist, im Heft 12/2020.

Gedacht für den Sonntag Sexagesimae am Anfang der Passionszeit. Aber er kann auch für sich stehen: er fragt mit dem Gleichnis vom vierfachen Acker nach dem Wort Gottes in unserem Leben.

UMKÄMPFTES  TERRAIN  (Lukas 8:1-15)

Vom offenen Ausgang einer Geschichte

            Eines der bekanntesten Gleichnisse, eines der wenigen, die Jesus selbst auslegt – das sog. vierfache Ackerfeld. Bei Luther bekam es den markanten Titel: von gluck und ungluck verbi[1]. Glück und Unglück, Gewinn und Verlust, Gelingen und Scheitern. Vom offenen Ausgang einer Geschichte.

Ein Blick in den Kontext

            Bei den ersten beiden Evangelisten steht dieses Gleichnis jeweils prominent am Anfang der Gleichnisrede. Lukas aber bildet einen etwas anders akzentuierten Zusammenhang: durch das unmittelbar (v 16-18) folgende Gleichnis vom eben nicht unter den Scheffel zu setzenden Licht wird deutlich, dass das Wort der Offenbarwerdung dient, nicht etwa der Geheimniskrämerei der Eingeweihten. Es kommt folglich darauf an, zu HÖREN – um nicht wieder alles zu verlieren. Diejenigen, die HÖREN UND TUN, nennt Jesus im Folgenden seine wahren Verwandten (v 19-21).

Was zwischen Hören und Tun geschieht

            Das Glück und Unglück des Wortes findet also nach dem Hören statt. Offenbar gibt es keinen Automatismus, der das Gehörte ins Leben überführt; was zwischen hören und tun passiert, ist immer umkämpftes Terrain. Die Werbebranche weiß das schon lange: AIDA – attention, interest, desire, action. Das Entscheidende liegt zwischen Aufmerksamkeit und Handlung. Vieles, zu vieles, buhlt um Aufmerksamkeit.

            Wenden wir das Gleichnis an auf Hörer, die zu unsrer mit Informationen übersättigten Gesellschaft gehören.

  1. auf dem Weg, direkt weggepickt: Informationen, Worte, Anregungen, die in der Überfülle sofort überlagert und weggewischt werden;
  2. kein Wurzelgrund, kein Wasser, kein Wachstum: auch die guten Inspirationen finden im Alltag keinen Raum und werden schnell vergessen;
  3. vom Gestrüpp erstickt: in der Fülle der Alltagsanforderungen nach hinten gedrängt und irgendwann untergegangen;
  4. in guter Erde, dem reinen und guten Herzen, aufgegangen und Frucht getragen: im Leben verankert und verändernd gewirkt.

„Schaut darauf, wie ihr hört“           

Die Fülle und Überfülle von Informationen und Anforderungen zu kritisieren, macht wenig Sinn: Steine, Vögel und Unkraut gab es immer schon – es stellt sich die Frage des Umgangs damit. Oder mit Lukas gesprochen: schaut darauf, wie ihr hört. Wie kann dieses wie mehr sein als ein Appell, der spätestens an der Kirchentür im Schirmständer entsorgt wird?

            Ein paar Gedanken, die wohl über eine Predigt hinausgehen, aber dennoch!

ad 1. Es braucht das Einüben der Fähigkeit, aus dem Vielen das dem Leben dienende herauszufiltern und dieses eine festzuhalten;

ad 2. dieses eine, noch kleine, gilt es zu nähren, zu wässern, zu unterstützen;

ad 3. es immer wieder zu verteidigen gegen so vieles laute und ach so wichtige;

ad 4. dann kann es wachsen, sich im Leben verwurzeln und das Leben prägen.

Ohne Pflege geht es nicht          

Ohne Pflege geht es nicht. Ob allein der Gottesdienst und das Hören einer Predigt das leisten kann, scheint mir fraglich. Ich höre in dem schaut zu (v 18) die Frage nach einer im individuellen Alltag zu verankernden Spiritualität, d.h. einzuübenden Wegen, das jeweils eigene, gefundene Korn zu schützen und zu pflegen. Welche Weisen, Glauben zu leben und zu verwurzeln bieten wir in der evangelischen Kirche an? Was können Menschen lernen zu leben, damit die guten Körner nicht umgehend weggepickt werden? Das Ackerfeld liegt zwischen Montag und Sonntag, hier finden Glück und Unglück des Wortes statt. Es ist schade, wenn Menschen in fundamentalistische oder esoterische Zirkel abwandern, weil sie dort concreta in Gebet, Meditation und Bibellektüre geboten bekommen. Kluge Formen lebensbejahender Spiritualität sind gut evangelisch! Ziel ist ja nicht die gepflegte Innerlichkeit, sondern das zu Gutem geprägte Leben: Frucht. Und damit auch gleich klar ist, dass es nicht um ein rein menschliches Programm geht, ist die Frucht hundertfach (was selbst bei genetisch „optimiertem“ Saatgut nicht vorkommt).

            Wenn das Gleichnis ein Gespräch anstoßen könnte, bei dem gefragt und gehört wird, was haben und was brauchen wir, um behalten, nähren, verteidigen und pflegen zu können, wäre etwas Schönes begonnen.

[1] Luther, WA 17/I, 46; zitiert nach R. Zimmermann, Hg. Kompendium der Gleichnisse Jesu, 2007, S. 311