Gedanken zur Jahreslosung 2020 aus Markus 9:24

Ich glaube – hilf meinem Unglauben!

Gebet ist Glaube, der redet

Ein einziger Vers für ein ganzes Jahr? Fünf Worte für 366 Tage? Ist das nicht ein bisschen knapp? Ich glaube, dass eine besondere Kraft darin liegen kann, ein und dasselbe Wort über längere Zeit in jede Situation hineinsprechen zu lassen. Ich glaube, dass sich da in der Tiefe etwas entfaltet, etwas Eigenes zwischen Gott und mir.

Dieser Vers ist ein Schrei. In der Geschichte, in der er steht, ist es der Hilfeschrei eines Vaters, der ohnmächtig der epilepsieähnlichen Krankheit seines Sohnes zuschauen muss – und das schon seit Jahren. Er muss von den Heilungen gehört haben, die Menschen bei Jesus von Nazareth erlebt haben, und darum hat er heute seinen Sohn dabei und bringt ihn zu den Jüngern von Jesus. Wenn der Meister das kann, dann die Schüler wohl auch. Aber leider passiert nichts – außer: die Klugen debattieren über Gott und die Welt.

Bis Jesus dazukommt und sieht, dass es den Leuten überhaupt nicht um diesen Jungen geht; er, Jesus, soll hier und jetzt ein Wunder tun, um sich zu beweisen.

Aber Jesus kümmert sich stattdessen um das Kind, fragt nach der Vorgeschichte, kniet vielleicht bei dem Vater, der wohl sein krampfendes Kind festzuhalten versucht. „Wenn du etwas kannst, dann hilf uns!“, fleht er Jesus an. Und der antwortet mit: „Alles ist möglich für den, der glaubt“.

Das ist der Moment, wo ich immer ungläubig die Luft anhalte: will Jesus jetzt ernsthaft über Glauben diskutieren? Angesichts eines Kindes mitten im lebensbedrohlichen Anfall? Geht’s noch? Soll hier der Glaube des Vaters die Bedingung sein für die Heilung des Kindes?!

Das wäre gruselig! Darum schreit es der Vater heraus: ja, ich will ja vertrauen – hilf mir, wo ich das einfach nicht schaffe!

Und Jesus greift mitten hinein in das Durcheinander und stellt den Jungen wieder auf die Füße.

Nein, glauben ist keine Vorbedingung, keine Leistung, keine Methode, kein Heldenstück. Glaube schreit; was soll ich denn tun, wenn ich nichts tun kann?! Schreien. Flehen. Beten. Wem sonst soll ich denn hinwerfen, dass ich mich angesichts der Übermacht fremder Kräfte so hilflos fühle?

                  Gebet ist Glaube, der redet. Redet von dem, was ist. Sagt, wie es ist, und das Gott zumutet.

Zum Glück ist nicht alles so dramatisch wie diese Geschichte. Aber oft genug stehen wir vor Dingen, die verworren sind, vor Not, die uns übersteigt. Viel zu oft habe ich keine Lösung, fehlt mir die Kraft, stehe ich hilflos daneben. Und dann tut es gut, schreien zu können und zu dürfen. Nicht hocken zu bleiben in der Mutlosigkeit. Aber auch mich nicht am Zopf des eigenen Glaubens aus dem Sumpf ziehen zu müssen.

 

                  Gebet ist Glaube, der redet: Ich will dir ja vertrauen, aber hilf mir doch, dass ich es auch kann!

Es gibt wohl nicht den Glauben: klar, vollkommen, geistvoll, mächtig… Glaube ist immer für heute. Glaube ist immer so, wie ich es gerade kann. Mal mutig und zupackend. Mal klein und verhuscht. Glaube ist immer gemischt mit Unglaube. Darum soll er reden dürfen mit dem Gott, der es möchte, dass wir ihm vertrauen. Der aber nicht den Blutdruck misst, ob „es reicht“.

Der Vater in der Geschichte zeigt, wie es gehen kann, wenn der Glaube redet: ich glaube, hilf meinem Unglauben!

Ob wir damit in 366 Tagen zuende kommen? Wohl kaum…