JAMIE UND SOPHIA

– eine Kindergeschichte zu Halloween

Mit knurrendem Magen aufzuwachen, ist wirklich kein Vergnügen! Jamie blinzelte durch die Dachluke des alten Trockenbodens, auf dem er mitsamt seiner Familie lebte. Es war noch nicht ganz dunkel draußen und alle anderen schliefen noch.

Jamie war eine Fledermaus und seine Familie natürlich auch. Jetzt hingen sie alle kopfüber an den Dachbalken aufgereiht und schliefen. Aber Jamie konnte nicht wieder einschlafen – er hatte Hunger! Wenn man viel wächst, braucht man viel Futter – das ist bei Fledermäusen nicht anders als bei Menschen. Und Jamie wuchs. Er war in dem Alter, wo man ja beileibe kein Kind mehr ist, aber auch noch ein gutes Stück Weg bis zum Erwachsensein vor sich hat. Umgerechnet in Menschenjahre wäre Jamie vielleicht neun oder zehn – oder elf. Bei Fledermäusen weiß man das nicht so genau, die zählen keine Geburtstage.

Jetzt jedenfalls war höchste Zeit, sich hier aus dieser Schlafrunde abzuseilen und sich auf die Suche nach Frühstück zu machen. Das war wieder typisch für die Eltern – die verschliefen immer die Tageszeit, wo die meisten leckeren Insekten unterwegs waren. Zu gefährlich, sagten sie, wir fliegen erst aus, wenn es richtig dunkel ist. Aber dann sind alle die Mücken und Fliegen weg, dachte Jamie, und beschloss die günstige Gelegenheit zu nutzen: wenn mich keiner sieht, kann mich auch keiner zurückhalten.

Und schwupps, kippte er ab vom Dachbalken, drehte sich in Flugposition und segelte leise und vorsichtig aus der Dachluke.

Jaah, da unten in der Nähe von diesen riesigen schwarz-weißen Tieren mit den rosa Beuteln zwischen den Hinterbeinen gab es jede Menge dicker Fliegen. Und drüben über dem kleinen Teich mit den orangeroten Fischen tanzten noch die Mücken. Lecker!!

Jamie frühstückte ausgiebig und als sein Magen wieder Ruhe gab, nutzte er das letzte Tageslicht, um sich ein bisschen umzugucken. Irgendwie sah es anders aus, als sonst. Da waren an vielen Häusern irgendwelche orangefarbenen Dinger mit Licht drin und zwischen den Häusern war ziemlich viel los.

So recht konnte Jamie sich darauf keinen Reim machen. Papa fragen! Nein, das wäre jetzt eher ungünstig, denn dann wäre wieder ein Vortrag zum Thema Gefährlichkeit des Fliegens in der Dämmerung fällig. Den kannte Jamie schon…

 

Aber Sophia konnte er fragen! Sophia war eine alte Eule und wohnte in einer Baumhöhle in der alten Eiche vor dem Trockenboden von Jamies Familie.  Sophia war alt, so alt, dass sie auch abends nicht mehr so lange schlief. Sie saß dann in ihrer Höhle und beobachtete das Leben. Auf Beute aus war sie erst bei Dunkelheit, wenn die Mäuse unvorsichtiger wurden. Sie würde jetzt wach sein und zu Hause und wahrscheinlich froh über einen kleinen Besuch. Außerdem war Sophia einfach super im antworten. Sie sagte einem, was man wissen wollte, und nicht noch tausenderlei Kram, von dem die Erwachsenen meinen, dass man ihn wissen sollte. Jamie machte sich auf den Weg zur alten Eiche.

 

Sophia saß auf dem Rand ihrer Höhle und schaute in die Welt. Eulen haben bestimmt so große Augen, dachte Jamie, damit sie sehen, was alles so passiert. Und wahrscheinlich sind sie so superklug, weil sie ganz viel gesehen haben und ganz viel nachgedacht haben über das, was sie sehen. Sophia war oft alleine, da hatte sie Zeit zum Nachdenken und Beobachten. Fledermäuse leben in großen Gruppen, da ist immer was los, da hat man oft keine ruhige Minute. Seine Mutter und die Tanten waren die ganze Nacht (das ist ja der Tag der Fledermäuse) mit Fressen und Putzen und Schnattern beschäftigt. Da kriegt man nicht viel mit von der Welt. Darum war Jamie so gerne bei Sophia. Die hatte immer Zeit. Und sie hatte noch nie eine seiner Fragen mit „das verstehst du noch nicht“ beantwortet. Manchmal kam ein „das weiß ich nicht so genau“, aber das stimmte dann wohl auch. Alles konnte auch Sophia nicht wissen.

 

„Guten Morgen, Sophia!“, sagte Jamie. Der Himmel war inzwischen so dunkelblau, dass er den ersten Stern über der Eiche erkennen konnte, wenn er genau hinguckte. „Guten Morgen, Jamie! Na, hat dich dein Hunger rausgetrieben?“ „Ja, die anderen schlafen alle noch. Aber ich habe total edel gefrühstückt und allerhand Neues gesehen!“ „So? Was gab’s denn schon alles?“ „Jede Menge von diesen bunt glänzenden Fliegen – hmm – und dann diese kleinen tanzenden Mücken. Die schmecken so ein bisschen süß. Naja, wäre vielleicht nicht dein Fall, aber ich bin gut satt. Und dann hab ich da bei den Häusern lauter so orange Dinger mit Licht gesehen und da ist richtig was los – obwohl es doch für die Menschen jetzt Abend ist. Normalerweise sind doch die Menscheneltern bei ihren Kindern genauso pingelig, was Draußensein im Dunkeln angeht, wie meine Mam, wenn ich bei Dämmerung schon raus will. Weißt du, was da los ist?“

„Orange Dinger mit Licht sagst du? Dann ist wohl schon wieder Halloween bei den Menschen.“ „Hello…wie heißt das? Was ist das denn?“ „Halloween. Das ist etwas, was bei den Menschen an einem bestimmten Tag im Herbst stattfindet. Ich glaube, sie nennen den Tag „Erster November“ und am Abend vorher ist dann das los, was du da gesehen hast. Die orangefarbenen Dinger sind übrigens Kürbisse. Die höhlen die Menschen aus und stellen eine brennende Kerze hinein.“ „Das sieht schön aus, finde ich. Das ist richtig buntes Licht überall.“ „Ja, da sind viele Lichter. Guck sie dir doch mal vorsichtig aus der Nähe an.“ „Mach ich – und ich will auch mal gucken, was die Kinder machen, wenn sie im Dunkeln rausdürfen. Ich komm wieder und erzähl’s dir! Tschüß, Sophia!“

 

Jamie segelte im Schutz der zunehmenden Dunkelheit wieder los. Jetzt war der Himmel so dunkel, dass er das Blau kaum mehr sehen konnte. Und in der schwarzen Dunkelheit leuchteten die Kürbisse umso heller. Die Kürbisse standen immer in der Nähe der Haustüren, das machte es für Jamie ziemlich schwierig, so dicht ranzukommen, dass er sie genauer anschauen konnte. Aber auch aus einiger Entfernung sah er nun, dass diese Kürbisse Löcher hatten und die Löcher sahen aus wie ein Gesicht – ein richtig böses Gesicht! Überhaupt nicht lustig! Komisch, dachte Jamie, was wollen die denn mit bösen Gesichtern? Menschen sahen manchmal so aus, griesgrämig, oder verärgert, oder traurig – aber wozu stellten sie sich das noch vor die Tür? Seltsame Menschen!

Und was die Kinder anging – da war ja richtig was los! In Gruppen waren die unterwegs von einem Haus zum anderen und manchmal ging dann die Haustür auf und die Kinder bekamen etwas in Hand gedrückt. Manchmal ging die Tür auch wieder zu, ohne dass die Kinder etwas bekommen hätten. Das fanden sie dann nicht so toll.

Die ärgerlichen Stimmen konnte Jamie hören, aber um die Worte zu verstehen, musste er versuchen, näher ranzukommen. Gar nicht so einfach und nicht ganz ungefährlich, wenn man eine kleine Fledermaus ist, die eigentlich um Menschen einen Bogen macht… Aber die Neugier besiegte Jamies Angst und er flog vorsichtig eine tiefere Schleife vor einer der Haustüren. Jetzt war er so nah dran, dass er die Kinder genau sehen konnte. Einen großen Beutel hatte einer dabei, ein Mädchen hatte einen großen Hut auf, spitz und schwarz und mit einem so breiten Rand, dass Jamie ihr Gesicht nicht sehen konnte. Ein anderes Kind hatte irgendwas schwarzes an, was war das denn?

Jamie kurvte vorsichtig noch ein bisschen näher. Aber das hätte er vielleicht nicht tun sollen. Er knallte beinahe vor eine Regenrinne, als genau vor ihm plötzlich eine gigantische Fledermaus auftauchte und mit ohrenbetäubendem Uuaahhhhh durch den Vorgarten fegte.

 

Jamie konnte gerade noch die Aufwärtskurve kriegen und sauste zurück zur Eiche und zu Sophia. Puh, das war knapp! Da redeten die Alten immer davon, wie gefährlich das Fliegen im Hellen war – wußten die überhaupt, was da im Dunkeln unterwegs war? Das war ja wohl ein ausgewachsenes Monster gewesen!

 

„Sophia, Sophia!!“ – „Jamie, wie siehst du denn aus? Was ist passiert? Bist du dem Kater zu nahe gekommen?“ „Nein, Sophia, noch viel schlimmer!“ Und dann erzählte Jamie atemlos  alles, was er gesehen hatte.

Sophia hörte alles bis zuende an und dachte dann eine Weile nach. Jamies Herzschlag wurde langsam wieder normal.

„Tja“, sagte Sophia nachdenklich, „ich versuche, dir zu erklären, was ich weiß. Alles habe ich auch noch nicht verstanden, denn dieses Halloween gab es vor ein paar Jahren noch gar nicht. Die Menschen hatten für den „Ersten November“ noch einen anderen Namen: „Allerheiligen“. Was das ist, weiß ich besser, diesen Tag gab es schon ganz lange, schon lange vor meiner Zeit.“

Das konnte Jamie sich allerdings kaum vorstellen, denn Sophia war für seine Begriffe uralt. In Menschenalter gerechnet war sie wohl um die 70… Und da sollte es etwas geben, was noch älter war? Na…andererseits hatte Sophia ihn noch nie beschummelt, so was hatte sie einfach nicht nötig. Also hörte Jamie weiter zu. „…als vor ungefähr 1400 Jahren ein Papst ein berühmte Kirche in Rom neu eingeweiht hat.“ „Was war da, Sophia, ich hab den Anfang nicht mitgekriegt…“ „Damals, bei dieser Kircheneinweihung, hat der Papst diesen Tag Allerheiligen festgelegt. So etwas ähnliches gab es auch vorher: da gab es viele verschieden Tage, an denen an Märtyrer gedacht wurde.“ „Mäh-was?“ „Märtyrer, Jamie, das ist ein altes Wort und es meint Menschen, die auf grausame Weise getötet wurden, weil sie Christen waren.“ „Weil sie Christen waren? Das ist doch kein Grund! Das sind doch die Leute, die immer an einem Tag in dieses Haus mit der Glocke im Turm gehen und singen und reden und zuhören…dafür wird man doch nicht umgebracht!“

„Doch Jamie, das Haus, das du meinst, nennen die Menschen Kirche. Und sie treffen sich dort, um zu singen, um zu ihrem Gott zu beten, um über ihren Glauben zu reden und um in einem bestimmten Buch, das sie Bibel nennen, zu lesen. Leute, die Christen sind, glauben nicht mehr an irgendwelche anderen Götter und sie tun auch nicht mehr das, was anderen Göttern vielleicht gefallen würde. Deshalb glaubten die Regierenden oft, sie wären gefährlich. Wenn nämlich ein Regierender sich als Gott anbeten ließ – und das haben viele getan, dann haben die Christen das nicht mitgemacht. Oder sie haben nicht den Göttern geopfert, von denen die anderen glaubten, dass sie sie beschützen. Oder sie haben Sachen nicht mitgemacht, die alle gemacht haben, weil sie glaubten, dass ihr Gott das nicht will. Und das gab es auch zu meinen Lebzeiten noch!“

„Und darum hat man die, wie heißen die? M…“ „Märtyrer“. „Und die hat man getötet dafür? Haben die sich nicht gewehrt? Das ist doch gar nicht erlaubt!“ „Manche haben bestimmt versucht, sich zu wehren, aber manchmal konnten sie sich nicht wehren – außer, sie hätten ihren Gott und ihren Glauben fallen lassen müssen. Und das wollten sie nicht.“ „So wichtig war ihnen das mit Gott?“ „Ja, manchen Menschen ist Gott sogar wichtiger als ihr Leben und manche Vorteile darin. Weil sie glauben, dass es nur diesen einen Gott gibt und dass ihr Leben ihm entsprechen soll. Sie glauben, dass Gott sie liebt und sie lieben ihn auch.“ „Ich denke, sie glauben an diesen Gott – was hat denn das mit Liebe zu tun? Können sie denn ihren Gott sehen oder anfassen?“

„Tja, Jamie, ich bin ja nun kein Mensch, aber was ich gesehen habe, sieht schon danach aus. Du hast doch bestimmt mal drüben in der alten Klosterruine diese beiden Balken gesehen, die sich kreuzen?“ „Du meinst die Balken vorne, da, wo die Mauerreste so ein bisschen rund sind?“ „Ja, genau, das meine ich. Das war auch mal eine Kirche und die beiden Balken waren ein Kreuz, das alle Menschen in der Kirche anschauen konnten.“ „Anschauen? Wozu das denn?“

„Soweit ich weiß, Jamie, ist so ein Kreuz ein ganz wichtiges Zeichen für die Christen: sie glauben, dass Gott als Mensch auf diese Welt kam und an so einem Kreuz getötet wurde. Das war zu der Zeit nämlich das beliebteste Hinrichtungsinstrument. Dieser Mensch, als der Gott auf die Erde kam, hieß Jesus Christus und darum heißen die Christen Christen. Sie glauben, dass mit diesem Tod am Kreuz Gott selbst alles das ausgeräumt hat, was zwischen den Menschen und Gott gestanden hat. Darum ist das Kreuz so wichtig. Und wenn sogar Gott so etwas auf sich genommen hat für die Menschen, dann muss er sie doch sehr lieb haben. Und dann möchten die Menschen eben auch so mutig sein, dass sie, wenn’s brenzlig wird, nicht einfach sagen: Gott – den kenne ich nicht. Wenn sie ihre Haut nur durch leugnen hätten retten können, haben sie sie lieber nicht gerettet. Kannst du dir das vorstellen?“

„Find ich noch schwierig…die haben einen Gott, der sich umbringen lässt? Obwohl – dass das was mit Liebe zu tun hat, leuchtet mir ein. Wenn einer kneift, wenn er der Klemme ist, auf den kann man sich nicht verlassen. Das wär dann wie mit Fiete: immer hat er gesagt, ich bin sein bester Freund und er hält zu mir, egal was ist. Und dann kam die Sache mit Paule, dem Spezi in seiner Clique, der behauptet hat, ich wäre ein Weichei und ich hätte ihm was geklaut. Der Fiete hat mich fallen gelassen, wie nichts. Kennt mich gar nicht mehr. Der kann was reden von Freund sein und wichtig finden. Der braucht mir gar nicht mehr zu kommen! Wenn er das dann nicht durchhält, ist das einfach nur unechtes Geschwafel!“

 

„Guck, Jamie, so ähnlich war das für die Christen auch: ihr Gott steht zu ihnen und sie wollen zu ihm stehen. Und die Leute, die das getan haben, notfalls bis zum Tod, nennen sie Märtyrer. Und damit die nicht vergessen werden und andere Menschen auch den Mut haben, standhaft zu bleiben, gibt es diesen Tag „Allerheiligen“.

„Das find ich gut – so Leute sollten auch nicht vergessen werden. Sonst glauben ja nachher alle, das wäre in Ordnung, wenn man bei Druck einknickt“

 

„Aber, Sophia, was hat denn das mit den Kürbissen zu tun und mit dem Monster?“

„Also, da weiß ich nicht so genau Bescheid – die Menschen erzählen sich viele verscheidene Dinge darüber. Obwohl…“ Sophia versinkt einen Moment im Schweigen. „…. ich glaube, die meisten stellen gar nicht die Fragen, die du stellst. Die meisten machen das einfach mit, weil es alle machen und weil es ihnen irgendwie Spaß macht. Die Kinder bekommen an den Haustüren Süßigkeiten geschenkt, das finden sie natürlich prima.

Die Kürbisse und die Verkleidungen, die dich so erschreckt haben sind wahrscheinlich was ganz anderes. In einem anderen Land gab es, als dort noch keine Christen gab, den Glauben, dass mit der Nacht vor dem Ersten November ein neuer Abschnitt im Jahr beginnt und dass in dieser Nacht die Toten auf die Welt zurückkommen und hier herumlaufen und vielleicht Rache nehmen für früher.“ „Tote?! Hier herumlaufen? Das ist ja gruselig!“ „Eben, und um sich die Toten und die bösen Geister vom Leib zu halten, stellte man die Kürbisse mit den hässlichen Gesichtern vor das Haus und verkleidet sich selber gruselig.“ „Naja, übermässig schlau können diese Geister ja nicht gewesen sein, wenn sie vor einem Kürbis Reißaus nehmen. Ist eben auch schon lange her. Und was haben die Süßigkeiten damit zu tun? Damit würde man die doch erst anlocken, oder?“ „Ich weiß nicht genau. Es könnte ein Gedanke dahinter stecken, dass man die bösen Geister besänftigen kann, wenn man ihnen was schenkt. Und dass sie einem dann nichts tun.“ Wieder schweigt Sophia nachdenklich, bevor schließlich sagt: „Weißt du, Jamie, so richtig erklären kann ich das auch nicht. Das sind alles so ganz alte Sachen, die es viele Jahrhunderte lang in diesem Land überhaupt nicht mehr gegeben hat. Und seit ein paar Jahren wird das immer mehr. Viele Leute verdienen damit viel Geld.“

 

„Aber Sophia, das passt doch nicht zusammen, was du mir erzählt hast! Du hast gesagt, die Christen haben einen Gott, der sich hat umbringen lassen, um zu zeigen, dass er auf jeden Fall auf der Seite der Menschen ist. Da muss man ihm doch keine Geschenke machen! Und wenn die so mutig waren, sogar lieber zu sterben, als ihren Glauben fallen zu lassen, dann haben die doch keine Angst vor irgendwelchen Gespenstern! Da stimmt doch was nicht, Sophia!“

„Ja, Jamie, da hast du wohl recht. Diese Halloween-Dinge stammen aus einer anderen Zeit und wohl auch aus einer anderen Religion. Aber vielleicht denken die Menschen darüber nicht so nach.“

„Hm, dabei waren doch die Christen damals die, die genau darüber nachdenken mussten, was sie tun – schließlich konnte sie das den Kopf kosten.“

„Tja, das stimmt, Jamie, aber ganz verstehe ich die Menschen auch nicht – ich bin eben doch eine Eule.“

Nachdenklich putzte Sophia ihr Gefieder, dann streckte sie sich: „Und jetzt bin ich eine hungrige Eule. Auch in meinem Alter braucht man dann und wann eine Maus. Die werde ich mir jetzt mal suchen. Danke, Jamie, für deinen Besuch – und lass dich nicht wieder von einem Monster erschecken. Das sind auch bloß Menschen…“

 

Mit diesen Worten breitete Sophia ihre weiten Schwingen aus und segelte elegant und lautlos in die Dunkelheit davon.

 

Jamie blieb noch einen Moment auf dem Rand ihrer Höhle sitzen. Seltsame Dinge hatte Sophia ihm erzählt. Ein bisschen Zeit brauchte er noch zum Nachdenken.

 

 Dörte Kraft, 2007

(entstanden als Auftragsarbeit eines Verlages, wo die Geschichte dann aber aufgrund eines Missverständnisses nicht weiterverarbeitet wurde; im Internet ist der Werbehinweis noch vereinzelt zu finden – hier ist die Geschichte.)